Der Roman „Odin Mondvalsen“ wurde zwar erst 1992 veröffentlicht, das Manuskript wurde aber bereits 1955-1956, der ersten Gefängnisaufenthalte von Kasëm Trebeshina in Tirana verfasst. Heute wird es als das erste Werk des Surrealismus im Albanisch–sprachigen gesehen und gilt auch als erstes Beispiel eines „Antiroman“, einer literarischen Gattung, die bewusst gegen die traditionellen Erzählstrukturen und -konventionen des klassischen Romans verstößt und stattdessen alternative Formen der Erzählung und Darstellung verwendet.
Dem Leser des Werks wird schnell klar, dass die Geschichte stark biographisch angehaucht ist, und somit auch mit den Regeln und Normen des sogenannten Sozialistischen Realismus bricht, dessen Eigenschaften vor allem ein gutes und fortschrittliches Bild des sozialistischen Systems zeichnen sollen. Trebeshina prangert in seinem Werk aber die Methoden des autoritären Regimes, welches den Sozialismus innehat, an, und parodiert dieses sogar.
In der sogenannten „opera aperta“, einem Begriff, der von Umberto Eco geprägt wurde, und der besagt, dass das Kunstwerk verschieden und insbesondere offen lesbar ist, wendet Trebeshina durch seine kryptische Erzählweise eine Verschleierungsmethode an. Diese lässt den Leser eine andere Interpretation vom Werk erfahren, als der Autor sie womöglich zum Ziel hatte. Eine sinnvolle Inhaltswiedergabe des Romans gestaltet sich auch genau aus diesem Grund schwierig, deshalb sollen nur die wesentlichen Elemente verkürzt dargestellt werden.
Zuallererst wird die Geschichte des titelgebenden Hauptcharakters Odin Mondvalsen nicht in einem chronologischen Handlungsstrang erzählt, zumindest nicht in einem dem Leser ersichtlichen. Auch sind die Schlüsselereignisse im Werk mehrdeutig interpretierbar und jede einzelne Interpretation könnte eine andere Interpretation des nächsten Kapitels oderSchlüsselereignisses bedeuten. Zudem haben die meisten Charaktere im Buch keinen richtigen Namen, und werden vom wirr-redenden Protagonisten, dessen eigener, korrekter Name dem Leser ebenfalls nicht bekannt ist, auf evaluative und schrille Art und Weise benannt. Dazu kommt, dass in regelmäßigen Abständen metaphorische, beziehungsweise kryptische Geschichten, die von (Neben-)Charakteren erzählt werden, die Erzählung unterbrechen und den Leser aus der Bahn werfen sollen. Zudem besteht die Erzählperspektive aus Odin Mondvalsens eigener Sicht, der somit in der Ich-Perspektive erzählt.
Im ersten Kapitel der Geschichte wird der Protagonist Odin von Regierungsbeamten in Zusammenhang mit einem Verbrechen verhört, dessen Art nicht bekannt gegeben wird. Odin gibt eine bizarre Aussage ab, in der er behauptet, vom Mond zu kommen, und sich als Däne identifiziert, der keine albanischen Wurzeln hat. Daraufhin wird er in eine forensische Psychiatrie überstellt, wo er seinen Zimmergenossen und die Krankenschwester Xjevrije kennenlernt. Er und Xjevrije beginnen eine Affäre und verlieben sich schnell ineinander. Odin wird regelmäßig von einem regimetreuen, dem „schlechten“ Arzt, und zwei Beamten des Ministeriums befragt. Zusammen mit einem den Patienten allgemein wohlgesonnenen, „guten“ Arzt, schmieden Xjevrije und Odin einen Plan zur Entlassung aus der Klinik, in dem Odin seine Identität als Albaner nicht mehr abstreitet, sondern endgültig akzeptiert. Nach seiner Entlassung zieht Odin zu Xjevrije, wird aber nach ihrer Ermordung als Verdächtiger verhaftet und wieder inhaftiert.
Da sich das Buch als opera aperta versteht, soll beim Interpretieren von Trebeshinas Antiroman von den Freiheiten, die diese Kunstform bietet, Gebrauch gemacht werden.
Ich vermute starke biographische Einflüsse im Setting des Romans. Der Autor sagte in einem Interview mit Edmond Çali, einem albanisch-italienischen Sprachwissenschaftler 2005:
„Ich wurde in die Psychiatrie gebracht und für verrückt erklärt … Das hat mich später und dann später wieder und noch später beeinflusst. Ich habe meine eigenen Krankenhauserfahrungen. Ich kenne Krankenhäuser, Krankenberichte, Krankenblätter, ich kenne alles. Ich habe viele Geschichten. Ich habe sie nach den 1950er Jahren sehr gut gekannt.