Sanja Iveković und das Bild der Frau

Désirée Pronath (M.A. Ost-West-Studien)

Erstellt von: Désirée Pronath via beta.dreamstudio.ai

Sanja Iveković ist eine Künstlerin die seit den 70ern für ihre – damals wie heute – neuartige und provokante Kunst bekannt ist: Neuartig im Einsatz verschiedenster Medien und provokant vor allem durch ihre Themen. Sie polarisierte weltweit mit Werken zu Revolution und Gewalt, Massenmedien, Erinnerungskultur, nationaler Ideologie, und vor allem mit einem Thema, das sich durch ihr ganzes künstlerisches Schaffen zieht: Feminismus. Mit ihrem Blick dafür, wie die Gesellschaft – z.B. in Medien – Frauen darstellt und was dagegen ausgeblendet wird, arbeitet sie stets daran, dieses Bild zu reflektieren, zu erweitern und zu verändern.

Sanja Iveković je umjetnica koja je od 1970-tih godina poznata po svojoj – kako tada tako i danas – novoj i provokativnoj umjetnosti. Novoj u primjeni najrazličitijih medija, a provokativnoj prije svega po temama. Iveković je polarizirala u cijelom svijetu svojim radovima o revoluciji i nasilju, masovnim medijima, kulturi sjećanja, nacionalnoj ideologiji, a posebno kroz jednu temu koja se provlači kroz sav njenzin umjetnički rad: feminizam. Svojim pogledom na to kako društvo, primjerice u medijima, predstavlja ženu, a što prikriva, doprinosi neprestano refleksiji/promišljanju o toj slici, njenom proširenju i promjeni.

Lebenseinflüsse

Iveković, 1949 in Zagreb geboren, studierte 1968-1971 an der Akademije likovnih umjetnosti (Akademie der Schönen Künste) Grafik. Dort kam sie in Kontakt mit einer neuen künstlerischen Vereinigung, der „Nova Umjetnička Praksa“ (New Art Practice). Diese setzte sich für die Demokratisierung der Kunst ein, hinterfragte Kulturinstitutionen und brach deren Blasen auf. Besonders die Praxis der Performance Art war für ihre Ziele wie gemacht und sie nutzte neuartige Medien, wie Fotografie oder Film. Nach dem Studium arbeitete Iveković im Grafikdesign für Fernsehshows und seit 1976 ist sie unabhängige Künstlerin und erweiterte im Laufe der Jahre und ihre Galerie über die Grenzen ihrer Heimat hinweg: im New Yorker „Museum of Modern Art“ (2011), auf der und darüber hinaus.

Die verdrängte sexuelle Frau

Das Performance-Stück „Trokut“ (Triangle; 1979) brachte ihr große internationale Aufmerksamkeit. Im Stück geschieht im Grunde nicht viel: während vor ihrem Apartment eine Straßenparade zu Ehren des Besuches von Josep Broz Tito stattfindet, sitzt Iveković auf ihrem Balkon, liest ein Buch, trinkt Whisky und vollführt Gesten der Masturbation. Auf dem Dach des ihr gegenüberliegenden Hotels ist ein Mensch, vermutlich eine Sicherheitsperson, mit Fernglas und Walkie-Talkie-Kontakt zu den Polizisten auf der Straße. Dies ist der einzige Mensch, der sie sehen könnte, da die Zement-Konstruktion des Balkons vor jeglichen Augen der Straße schützt. 18 Minuten dauert die Aktion. Dann klingelt es und ein Polizist verordnet, dass alle Personen und Objekte vom Balkon entfernt werden sollen. Aus der Solo-Performance wurde ein Triangle der interkommunikativen Ebene: die Person auf dem Hochhausdach, die Künstlerin und der Polizist auf der Straße. Durch die Darstellung der Masturbation einer Frau bringt Sanja Iveković hier eine feministische Ebene in das Werk: die weibliche Lust – in Form der Masturbation noch dazu selbstbestimmt und ohne Bedürfnis eines (männlichen) Partners – in der Gesellschaft meist verdrängt durch die männliche Lust, die primär zu befriedigt werden verlangt. Die Exklusion der sexuellen Frau findet sich in der Performance der Sicherheitspersonen: Männer, welche dem (patriarchalen) Staat dienen, die Iveković zuerst in ihrer Privatsphäre beobachten und ihr schließlich befehlen, sich vom Balkon ins Innere ihrer Wohnung zu entfernen. Hier werden Machtverhältnisse über den weiblichen Körper und weibliche Sexualität sichtbar. Die selbstbestimmte Frau wird in ihrer Sphäre limitiert, soll vor jeglichen Augen versteckt sein. Denn dass es sich hier um pure Machtausübung und -darstellung zweier Männer gegenüber einer Frau handelt, wird dadurch bekräftigt, dass die Straßenparade nie etwas von der mitbekommen konnte.

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Originalwerk: hier

Werben für mehr Realität

Durch ihre Arbeit im Fernsehen hatte Iveković gute Einblicke in die Medienarbeit/die Funktion der Medien erlangt und darüber, wie sie die Aufmerksamkeit der Massen zu generieren wissen. Dieses Wissen nutzte sie gerne, um Aufmerksamkeit auf vergessene Frauen zu richten.

„Women who played important roles in history are so easily forgotten.“ sagte Sanja Iveković in einem Interview zu ihrer künstlerischen Aktion „Gen XX“ (1997-2001). Das Thema der kollektiven Erinnerung beschäftigte sie sehr: vor allem das gesellschaftliche Vergessen von Frauen der antifaschistischen Bewegung bzw. auch die aktive Auslöschung dieser aus dem allgemeinen Gedächtnis, während sie zu ihrer Jugendzeit noch als Heldinnen gefeiert wurden. In „Gen XX“ nutzte die Künstlerin deswegen Bilder berühmter Models aus Werbeanzeigen, entfernte die Markennamen (Dior, Chanel, Armani usw.), setzte an ihrer Stelle die Namen besagter Heldinnen und hängte diese aus – darunter ein Text über ihre oft grausamen Bestrafungen. So machte sich Iveković den Effekt der Massenwerbungen zu Nutze: die Normschönheit weiblicher Models wird gezielt genutzt, um Aufmerksamkeit für Firmen und Produkte zu gewinnen. Plakate und Fernsehen sind voll von Frauen – dies steht in starkem Kontrast zur Sichtbarkeit realer Frauen in der Öffentlichkeit. Sie werden mehr auf Grund ihres Äußeren als ihrer Taten oder Eigenschaften wegen gesehen.

Zusätzlich machte Iveković auf ein weiteres Ausblenden aufmerksam: Gewalt an Frauen. Die Werkreihe „Women’s House (Sunglasses)“ (1998-2004) sollte diese unter Nutzung verschiedener Medien in das allgemeine Bewusstsein bringen. Einerseits machte sie Ausstellungen in Zusammenarbeit mit Frauenhäusern: hierfür ließ Iveković die Frauen nicht nur Kunstobjekte, sondern Teilnehmerinnen sein, die ihr Werk selbst produzieren konnten. Sie erstellten Gipsabdrücke ihrer Gesichter und fügten Texte über ihr Leben bei. Andererseits nutzte sie wieder ihre Werbemethode: Plakate berühmter Marken – diesmal Models mit Sonnenbrillen – wurden mit kurzen Texten aus dem Leben von Frauen mit Gewalterfahrung versehen. In einem Interview sprach die Künstlerin über die Bedeutung beider Arten der Kunstdarstellung: Werbeplakate als die demokratischere Variante sowie Ausstellungen in Galerien, um diese in ihren Darstellungsformen zu kritisieren. Durch das Ausstellen der Masken auf einem Podest imitierte sie die Kunstinstitutionen, doch durch die wirklichen Gesichter drastischer Schicksale kratzte sie an deren Exotisierungsblase. Zusätzlich zeigt der Gipsabdruck über das reale Abbild hinaus auch eine symbolische Maske, die Frauen von einer Gesellschaft aufgesetzt wird, die lieber ihre Täter schützt und Frauen durch Schamgefühl stillhält.

Bildquelle: Tamara Bellis via unsplash.com

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Kriegskult vs. Frauen

Revolutionäre Frauen faszinierten Iveković – eine besonders: Rosa Luxemburg, Sozialistin und Bekämpferin des Nationalsozialismus in Deutschland. Für Rosa Luxemburg schuf sie unter anderem die Installation „Lady Rosa of Luxembourg“. Sie replizierte das luxemburgische Kriegsmahnmal der Gëlle Fra  und stellte diese einige Meter von dem Original entfernt auf, jedoch adaptierte sie die Figur, versah sie mit einem schwangeren Bauch und platzierte zu ihren Füßen anstatt der Plakette mit Namen gefallener Soldaten einen Sockel mit dem Text: „LA RÉSISTANCE, LA JUSTICE, LA LIBERTÉ“, „KITSCH, KULTUR, KAPITAL, KUNST“, „WHORE, BITCH, MADONNA, VIRGIN“. Der französische Schriftzug erinnert an „Liberté, Egalité, Fraternité“ und könnte unter dieser goldenen, schwangeren Frau als Kampfbegriffe einer feministischen Revolution verstanden werden: Widerstand, Gerechtigkeit, Freiheit. Die deutschen Begriffe klingen wie typische Bewertungen (weiblicher) Kunst bzw. nach deren Schubladen – besonders das Wort „Kitsch“ lässt darauf schließen. Die englischen Worte sind Ausdrücke mit denen Frauen seit jeher beurteilt werden, meist in Verbindung mit sexuellen Aktivitäten, vor allem jedoch immer unberechenbar und willkürlich. Es herrscht eine schmale undurchschaubare Gratwanderung – im Deutschen schön benannt – „zwischen Hure und Heiliger“. Die Mehrsprachigkeit entbindet zusätzlich Lady Rosa des nationalistischen Kontexts und macht sie zu einem allgemeingültigen, internationalen Ehrendenkmal vergessener Frauen des Krieges. Durch die Schwangerschaft bringt Iveković eine weibliche Realität zur Geltung. Die Wirklichkeit wird dem gegenübergestellt, wofür Frauenfiguren in historischer künstlerischer Huldigung oft benutzt wurden: als symbolische und allegorische Figuren, wunderschöne Göttinnen und Projektionsfläche nationalistischen Heldenkults. Währenddessen sind wahre Frauen vergessen, verdrängt oder ignoriert worden. Wenige Meter vom Original stehend trotzt Ivekovićs Werk einer alleinstehenden männlichen Geschichtsschreibung.

Erstellt von: Désirée Pronath via beta.dreamstudio.ai

Originalwerk: hier

Anhand dieser vier Kunstwerke sollte Sanja Ivekovićs Arbeit an Frauendarstellungen veranschaulicht werden: Ihre Transformation, Interpretation und Erweiterung des sogenannten Weiblichen bzw. der Darstellung der Frau durch Kunst und auch alltägliche, normative, konventionelle Lebensrealität. Sie betreibt und betont durch ihre Kunst eine Art Realitäts-Arbeit der Gegenwart: der Gegenstand hört durch die künstlerische Behandlung und Aufwertung auf, der Gegenstand zu sein, zu dem er gemacht wurde und beginnt im Prozess Akteur zu werden – die schwangere, masturbierende, revolutionäre Frau.

Weiterführende Literatur:

Dann, Therese (2016): Sanja Ivekovic, in: Schor, Gabriele (Hrsg.): „Feministische Avantgarde. Kunst der 1970er-Jahre.“ Prestel, München, S. 498.

kunstaspekte.de: https://www.kunstaspekte.de/person/sanja-ivekovic  [letzter Zugriff am 26.01.2023]

MoMA: Art and artists, https://www.moma.org/artists/30946 [letzter Zugriff am 26.01.2023]

Pabijanek, Katarzyna (20.12.2009): „Women’s House”: Sanja Iveković Discusses Recent Projects (Interview), in: Artmargins (website), https://artmargins.com/qwomens-houseq-sanja-ivekovic-discusses-recent-projects-interview/ [letzter Zugriff am 26.01.2023]

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