What is the editorial team thinking about this month? November Edition

von dem seeFField Team

Der November mit seinem fallenden Laub und der ruhigen Stimmung bringt uns zurück zu unseren ersten gemeinsamen Erinnerungen als Frauenteam: Iman, Antonia und Elina. Wir denken an unsere ersten Schritte in Deutschland zurück, an die Zeit als internationale Studentinnen, und an all die Herausforderungen, die uns auf diesem Weg begegnet sind.

In diesem Blogbeitrag wollen wir über diese Erfahrungen sprechen: über die inneren Konflikte und Unsicherheiten, die das Alleinsein in einem fremden Land mit sich bringt, studentisches Leben, über gesellschaftliche Erwartungen, bürokratische Hürden und vieles mehr. Doch worum es uns in diesem Text wirklich geht, ist etwas Tieferes: Wir möchten unsere Leserinnen daran erinnern, dass genau in dem Moment, in dem alles verloren scheint, die Kraft zum Weitermachen entsteht. Die Stärke und der Stolz, die aus dem Überwinden solcher Herausforderungen entstehen, sind mit nichts auf der Welt vergleichbar. Und vor allem: Eine Frau sollte sich stets erfüllt fühlen - nicht, weil sie etwas oder jemanden braucht, um vollständig zu sein, sondern weil sie es bereits ist.

Iman: Dieser Oktober markiert den zweiten Jahrestag meiner Ankunft in Deutschland. Ich erinnere mich noch genau an den ersten Tag in München Flughafen. An die Aufregung, die Vorfreude und all die Erwartungen an das, was vor mir lag. Ich war gekommen, um mir eine bessere Zukunft aufzubauen, um mich selbst zu finden und meinen eigenen Lebensweg zu gehen.

Natürlich hatte ich Angst, aber die Neugier und das Gefühl, endlich dort zu sein, wo ich immer hinwollte, waren stärker. Meine Erziehung und Bildung in Kosova hatten mich darauf vorbereitet, unabhängig zu sein, auf eigenen Beinen zu stehen. Ich hatte in Kosova bereits vieles aufgebaut, doch mir war klar, dass mein Weg dort nicht endete. In Deutschland wollte ich das, was ich begonnen hatte, fortführen und weiterentwickeln.

Ich wusste, dass es nicht leicht werden würde. Doch der Gedanke, dass dies mein Traum war, gab mir die Kraft, Schwierigkeiten zu überstehen und weiterzumachen.
Das erste, was mir in Deutschland auffiel, war die Einsamkeit: Ich kannte niemanden, die Stadt war mir fremd, und selbst der Campus wirkte anfangs wie ein Labyrinth. Die Hörsaalnummern erinnerten mich eher an geheime Codes als an Wegweiser.

Als ich mich schließlich zurechtfand, bemerkte ich eine andere Hürde, die Sprache. Ich verstand zwar Deutsch, aber in Regensburg wird zudem bairischer Dialekt gesprochen. Was für mich anfangs sehr stressig war, weil ich nur die Standardsprache kannte. Spoiler-Alert: Mit der Zeit wird alles Leichter, man braucht nur Geduld.

Dann kam das nächste Problem: die Finanzierung von Studium und Lebensunterhalt. Auch das war eine Belastung, aber ich suchte so schnell wie möglich nach Lösungen – und fand sie. Nach und nach lernte ich viele neue Menschen kennen, unter ihnen internationale Studierende und auch einige Albaner:innen. Ich begann, mich zurechtzufinden, Gesichter zu erkennen, Orte wiederzuerkennen, der Alltag bekam Struktur.

Tagsüber fühlte ich mich sicher, aber nachts war das anders.
Ende 2023 gab es eine Nachricht, die mich sehr beunruhigte: Eine Frau war in der Nähe des Busbahnhofs in Regensburg vergewaltigt worden – ein Ort, an dem ich fast täglich vorbeikam. Im Zug begegnete man manchmal Männern, deren Blicke unangenehm aufdringlich waren. Wenn ich spät abends den Zug nehmen musste, tat ich so, als würde ich telefonieren oder schrieb jemandem, nur um mich sicherer zu fühlen.

In dieser Zeit kaufte ich mir ein Pfefferspray, zum Glück musste ich es nie benutzen. Ich besuchte auch Selbstverteidigungskurse, in denen ich lernte, dass selbst ein lauter Schrei eine mächtige Waffe sein kann. Trotzdem blieb die Angst besonders, wenn ich nachts auf unbeleuchteten Straßen unterwegs war. Diese Unsicherheit begleitete mich, in Kosova wie in Deutschland.

Ich weiß nicht, ob es ein „Fluch des Frauseins“ ist, dass man nie genau weiß, wann man sich zu hundert Prozent sicher fühlen darf, wenn man allein unterwegs ist. Aber eines weiß ich: Heute fühle ich mich stärker, selbstbewusster und fähiger, mich zu verteidigen. Und ich bin sicher, dass viele Frauen mich verstehen werden, wenn ich sage: Das Gefühl, nachts einfach unbeschwert joggen zu gehen, ist für uns leider noch immer ein ferner Traum.

Antonia: Beim Anhören der neuen Songs von Florence and the Machine und Paris Paloma habe ich in letzter Zeit öfter darüber nachgedacht, was es bedeutet, eine Frau zu sein. Diese Überlegungen stehen im Zusammenhang mit einem Anstieg der Frauenmorde in meinem Heimatland Rumänien und einer allgemeinen Missachtung der Meinungen und Lebenserfahrungen von Frauen auf der Welt. Gleichzeitig verbreiten soziale Medien wie der „book-ish“ Bereich auf Instagram, TikTok und YouTube eine gefährliche Narrative, die das Interesse von Frauen an Literatur herabsetzt. Die Bücher, die Frauen lesen, sind: kindisch, nicht intellektuell oder performativ.

Obwohl mich all das beunruhigt, bekomme ich davon in meinem Alltag nur wenig davon mit. In dieser Hinsicht habe ich Glück. Selbst während meines Studiums in Rumänien hat mich das selten berührt, auch, wenn es gelegentlich Momente der Frustration gab. Oberflächlich betrachtet fühlt es sich kaum anders an, ein internationaler Student in Deutschland zu sein. Man besucht Vorlesungen, liest für seine Seminare, schreibt Hausarbeiten und lernt. Und doch fühlt es sich ganz anders an! Es gibt so viele Möglichkeiten Praktika zu absolvieren, neben dem Studium zu arbeiten, praktische Fähigkeiten zu erwerben und sich außerhalb des Studiums weiterzuentwickeln. Die Kehrseite davon ist der Überlebensaspekt: Man braucht all diese Möglichkeiten, um hier leben zu können. In Rumänien mangelt es dem Arbeitsmarkt an Flexibilität und Bereitschaft. Es ist nicht unmöglich als Student einen Teilzeit Beruf zu haben, aber meiner Erfahrung nach ist man dann sehr eingeschränkt. Die jüngsten Kürzungen der staatlichen Unterstützung haben die ohnehin schwierige finanzielle Situation der Studierenden zusätzlich verschlechtert.

Wenn ich an meine Erfahrungen als Frau in beiden Ländern zurückdenke, sowohl im sozialen als auch im akademischen Umfeld, kann ich nicht behaupten, dass es viele Unterschiede gab. Catcalling gibt es an beiden Orten, ebenso wie die „freundlichen” Vorschläge von Fremden auf der Straße, dass man mehr lächeln soll. An der Universität hatte ich im Laufe meiner (noch andauernden) drei Semester überraschend wenige Professorinnen. Beide akademischen Umfelder scheinen eher männlich dominiert zu sein. Überrascht hat mich in Deutschland die Geschlechterquote, die in fast allen Stellenanzeigen aufgeführt ist. Für mich ist das ein ambivalentes Problem: Möchte ich wegen meines Geschlechts oder allein aufgrund meiner Fähigkeiten eingestellt werden?

Elina: Vor 2 Jahren bin ich nach Deutschland gezogen. Alleine. Wie viele Neuankömmlinge hier wurde auch ich mit Kritik an meinen Sprachkenntnissen und mit bürokratischen Hürden konfrontiert. Und wenn man – wie ich – nicht aus der EU kommt, wird die Bürokratie noch umfangreicher.

Die Ausgangssituation für jemanden, der als Studentin oder Student aus einem Nicht-EU-Land nach Deutschland zieht, sieht oft so aus:

-befristeter Aufenthaltstitel

-kein Job

-vorwiegend Englischkenntnisse

-ein Studium, das den Großteil der Zeit in Anspruch nimmt.

Wenn man zusätzlich eine Frau ist, kommen oft noch weitere Ansprüche hinzu – etwa das Bedürfnis nach Sicherheit, finanzieller Stabilität und klaren Zukunftsperspektiven. Als Frau weiß ich auch, dass es manche körperlich anspruchsvollen Jobs gibt, die für uns schwieriger sein können. Deshalb legen viele von uns besonderen Wert darauf, einen Nebenjob zu finden, der wirklich zu uns passt.

Auf den ersten Blick wirkt diese Situation vielleicht schwierig oder sogar entmutigend. Doch die gute Nachricht ist: Schritt für Schritt kann man sich auch in einem fremden Land ein schönes Leben aufbauen.

1. Akzeptiert, dass manche Dinge Zeit brauchen.

Es gibt Themen, die sich nicht sofort lösen lassen – zum Beispiel Aufenthaltsformalitäten. Macht euch bewusst, dass solche Dinge im Hintergrund laufen und nicht immer vollständig in eurer Kontrolle liegen.

2. Übt Deutsch.

Versucht, so viel wie möglich auf Deutsch zu sprechen und zu arbeiten. Je schneller ihr in eine „deutsche Bubble“ kommt, desto leichter wird alles – beruflich und privat.

3. Wartet nicht auf den perfekten Job.

Wenn die finanzielle Situation dringend ist, ist es besser, mit irgendeiner Arbeit zu beginnen, als zu lange zu zögern. Parallel könnt ihr natürlich weiter nach einer Stelle suchen, die besser zu euch passt.

4. Sicherheit entsteht durch Planung.

Erstellt für euch selbst einen Plan A, B, C und vielleicht sogar D. Das klingt trivial, aber es hilft enorm, selbstbewusster zu handeln. Seid außerdem offen für Möglichkeiten, die auf den ersten Blick nicht Teil eures ursprünglichen Plans sind – manchmal führen gerade diese Wege zu den schönsten Chancen.

Denn wenn wir neu in Deutschland sind, wissen wir anfangs gar nicht, wie viele Türen sich tatsächlich öffnen können – wir müssen sie nur finden und den Mut haben, anzuklopfen.

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